Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern

Niedrigwasser-Lagebericht Bayern

Ausgegeben am 05.08.22, 13:00 Uhr

Der Alarmplan Gewässerökologie Donau steht für den Meldebereich Regensburg bis Passau seit Mittwoch auf „Warnung“; die „Warnung“ am Main folgte am Donnerstag für den Meldebereich Würzburg bis Landesgrenze.
Rund 76 Prozent der oberflächennahen Grundwassermessstellen und Quellen weisen niedrige und sehr niedrige Grundwasserstände auf. In den tieferen Grundwasser-Stockwerken zeigen 77 Prozent der Messstellen eine Niedrigwassersituation.

Witterung:
Das hydrologische Jahr bleibt weiter zu trocken. So summiert sich der Niederschlag vom 01.11. 2021 bis 04.08.2022 in Nordbayern auf 473mm (78% vom Mittel 1971 bis 2000) und in Südbayern auf 624mm (76% vom Mittel). Die nordbayerische Niederschlagssumme für das bisherige Sommerhalbjahr (01.05. bis 04.08.2022) beträgt 123mm (51% vom Mittel) und ist der niedrigste Wert in der 62-jährigen Beobachtungsreihe, noch unterhalb der 148mm von 1964. In Südbayern (293mm, 77% vom Mittel) lag die Dreimonatssumme (Mai bis Juli) dagegen in den Jahren 1992 (252mm), 1994, 2003, 2006 und 2018 noch niedriger. Der Niederschlagsindex der letzten 90 Tage (SPI) klassifiziert nahezu alle Gebiete nördlich der Donau, mit Ausnahme der niederbayerischen Anteile, als extrem trocken. Südlich der Donau sind Teile des nördlichen Schwabens und Oberbayerns ebenfalls extrem trocken. Die Anzahl der Juli-Sommertage übersteigt deutlich das langjährige Mittel, teils um mehr als 10 Tage. Anzahl Sommertage: 16 (Hof), 22 (München, Nürnberg), 24 (Würzburg, Augsburg), 25 (Regensburg). Die Spannweite der heißen Tage reicht von 3 (Hof), über 9 (München, Würzburg) bis 16 (Regensburg) und darin sind 1 (Hof) bis 3 (Nürnberg, Würzburg, Regensburg) sogenannte Wüstentage (Höchsttemperaturen über 35°C) enthalten.

Fließgewässer:
Die ausgeprägte Niederwassersituation an den Fließgewässern hat sich in der letzten Woche aufgrund der weiterhin ausbleibenden ergiebigeren Niederschläge und hohen Lufttemperaturen in der letzten Woche durch weiter abnehmende Abflüsse intensiviert. Bayernweit werden seit mehreren Wochen an den gewässerkundlichen Pegeln überwiegend niedrige bis sehr niedrige Abflüsse beobachtet. Der räumliche Schwerpunkt liegt nördlich des Alpenvorlandes, insbesondere im Nordosten Bayerns. Hier werden überwiegend Abflüsse unter dem langjährigen mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ) gemessen und als sehr niedrig eingestuft. An einigen Pegeln liegen die Abflüsse im Bereich des niedrigsten bisher gemessenen Tageswertes (NQ), erste Messstellen an kleineren Gewässern in den besonderes betroffenen Gebieten führen kein Wasser mehr und Teilstrecken an kleinen Fließgewässern sind trockengefallen. Etwas günstiger ist die Abflusssituation an Fließgewässerabschnitten, die durch Speicherabgaben gestützt werden. Eine solche Abflusserhöhung erfolgt derzeit z. B. an der Rednitz/Regnitz durch Abgaben aus dem Roth- sowie Brombachsee (siehe Speicher).
Für die kommende Woche werden nur für Freitag (5.8.) und Samstag (6.8.) lokal Schauer und Gewitter erwartet. Diese können nur lokal und auch nur kurzfristig für ansteigende Abflüsse sorgen. Die Niedrigwassersituation wird weiter anhalten und sich weiter verstärken.

Seen und Speicher:
Auch an den Seen setzt sich die Niedrigwassersituation weiter fort. Auch hier sind die Wasserstände durch die geringen Zuflüsse und die hohe Verdunstung weiter abgesunken. An den größeren Seen im Süden Bayerns werden vielfach weiterhin niedrige bis sehr niedrige Wasserstände beobachtet.
Die Betriebsräume der Talsperren mit Funktion der Niedrigwasseraufhöhung sind derzeit zwischen 62 % und 100 % gefüllt. Sie können für die Niedrigwasseraufhöhung in Anspruch genommen werden. Davon ausgenommen sind die drei Anlagen Ellertshäuser See, Eixendorfer See und Liebensteinspeicher, an denen aktuell Baumaßnahmen durchgeführt werden. Am Ellertshäuser See laufen derzeit umfangreiche Sanierungsmaßnahmen, der See ist komplett abgestaut. Weitergehende Informationen sind im Internet unter https://wwa-ellertshaeusersee.de/ zu finden. An der Anlage Eixendorfer See erfolgen ebenfalls Sanierungen, die einen aktuellen Teilabstau der Talsperre auf das Absenkziel erforderlich machen. Der Liebensteinspeicher wurde für Brückenabrissarbeiten der Gemeinde Plößberg teilabgestaut und befindet sich im Wiederaufstau. Das Überleitungssystem „Donau-Main“ kann unter Mitwirkung des aus dem Donauwasser gespeisten Rothsees und des mit Altmühlwasser gespeisten Großen Brombachsees das Maingebiet planmäßig mit Wasser versorgen. Die zusätzliche Wasserabgabe aus dem Altmühlsee in die Altmühl, die der Verbesserung der Wasserführung am Pegel Aha dienen soll, wird im Laufe des Tages eingestellt. Die Betriebsräume der Trinkwasserspeicher Mauthaus und Frauenau sind derzeit zur uneingeschränkten Wasserlieferung an die Fernwasserversorger ausreichend gefüllt.

Grundwasserstände:
Die Grundwasserneubildung und die damit einhergehende Erholung der Grundwasserstände findet vorwiegend im hydrologischen Winterhalbjahr (November bis April) statt. Die Niederschlagsbilanz des vergangenen Winterhalbjahres 2021/22 fiel jedoch, besonders in Südbayern (74% vom Mittel), erneut zu trocken aus. Auch die Folgemonate Mai, Juni sowie der Juli waren in weiten Teilen Bayerns zu trocken. Das für diese Jahreszeit übliche Niveau der Grundwasserstände und Quellschüttungen wird aktuell nur im ostbayerischen Kristallin sowie in Teilen Unterfrankens erreicht. In den übrigen nordbayerischen Regionen werden vermehrt niedrige Grundwasserstände registriert. Besonders betroffen sind hier der fränkische Jura, der mittelfränkische Sandsteinkeuper und zum Teil Messstellen entlang der nordbayerischen Flüsse (Quartär). In Südbayern hingegen unterschreiten die meisten Messstellen das für diese Jahreszeit übliche Niveau bereits erheblich. Besonders betroffen sind hier viele Messstellen des Quartär und der Alpinen Gesteine sowie nahezu alle Messstellen des Tertiärs und der Oberen Süßwassermolasse. Vermehrt werden auch neue Niedrigstwerte gemessen. Über ganz Bayern betrachtet liegt der aktuelle Anteil der niedrig klassifizierten Messstellen im obersten Grundwasserstockwerk mit rd. 76 % erheblich über dem Niveau der Jahre 2020 (rd. 32 %) und 2021 (rd. 18 %). Auch im letzten ausgeprägten Trockenjahr 2018 war Anfang August der Anteil niedriger Messstellen mit rd. 60% deutlich geringer. Auf Grund der bayernweit stark ausgetrockneten Böden sowie dem hohen Wasserbedarf der Vegetation ist im weiteren Verlauf des hydrologischen Sommerhalbjahres (Mai bis Oktober) mit weiter rückläufigen Grundwasserständen und Quellschüttungen zu rechnen. Bei weiter anhaltender Trockenheit werden vermehrt neue Niedrigstwerte auftreten.
Entwicklung der Grundwasserstände in den tieferen Grundwasserstockwerken:
Die Grundwassermessstellen der tieferen Grundwasserstockwerke weisen bereits seit dem Trockenjahr 2015 mehrheitlich niedrige Grundwasserstände auf. Zuletzt kam es, als Folge der teilweise sehr feuchten Sommermonate 2021, zu einer geringfügigen Erholung, welche sich jedoch insgesamt als nicht nachhaltig erwies. Der Anteil der aktuell als niedrig und sehr niedrig klassifizierten Grundwassermessstellen liegt mit rd. 77% bereits wieder über dem Niveau der Jahre 2020 (rd. 66 %) und 2021 (rd. 55 %). Besonders von niedrigen Grundwasserständen betroffen sind die Messstellen des Jura von Oberfranken bis Schwaben, des Tertiärs zwischen Alpenvorland und Donau sowie des mittelfränkischen Sandsteinkeupers.
Entwicklung der Grundwasserneubildung in den letzten Jahren:
Aufgrund der zu geringen Niederschläge der letzten Jahre weist die Grundwasserneubildung in Bayern bereits seit 2003, und somit seit nahezu 20 Jahren, ein mittleres jährliches Defizit von rd. 16 % auf. Diese Situation hat sich durch das erneut unterdurchschnittliche Jahr 2021 nicht gebessert. Durch die zuletzt gehäuft aufgetretenen Trockenjahre (2015, 2018, 2019, 2020) kann dieses Defizit nicht nachhaltig durch einzelne regenreiche Wochen ausgeglichen werden.

Gewässerökologie Fließgewässer und Seen:
Die gewässerökologische Situation in unseren Fließgewässern wird maßgeblich durch das Zusammenspiel von Wassertemperatur, Sauerstoff und Abfluss bzw. Wasserstand und Strömung bestimmt. Viele Fließgewässer in ganz Bayern haben sich durch die anhaltende Hitze inzwischen deutlich erwärmt. Die Werte liegen vielfach bereits im Bereich der gesetzlichen Orientierungswerte der Wassertemperatur, wie sie für verschiedene Fischgemeinschaften in der Oberflächengewässerverordnung festgelegt wurden. Die Tageshöchstwerte der Wassertemperatur übersteigen diese Orientierungswerte mittlerweile an immer mehr Fließgewässern. Das betrifft unter anderem Donau und Main, aber auch kleinere Gewässer. An 66% der Messstellen liegen die gemessenen Wassertemperaturen aber noch immer in einem gewässerökologisch nicht kritischen Bereich. Einzelne bekannt gewordene Fischsterben in Fließgewässern müssen im Zusammenhang mit den ebenfalls sehr niedrigen Abflüssen bzw. lokalem Trockenfallen und der sich verschlechternden Sauerstoffversorgung betrachtet werden. Kritische Sauerstoffkonzentrationen werden sowohl aus größeren Gewässern wie Main und Donau als auch aus kleineren Fließgewässern, Weihern und Teichen in Mittelfranken berichtet.
Eine gewässerökologisch ernste Situation ist dagegen bei den Abflüssen in den Fließgewässern festzustellen. Mehr als 90 Prozent der Gewässer weisen niedrige bis sehr niedrige Abflüsse auf. Die Lebensräume und Wanderungsmöglichkeiten für die Gewässerorganismen sind daher eingeschränkt. Vielerorts sind die Oberläufe und kleinen Fließgewässer bereits trocken gefallen. In Mittelfranken wurde eine streckenweise Austrocknung nun auch für mittelgroße Gewässer gemeldet. Verbreitet wird über Fischsterben auf Grund trockenfallender Gewässerstrecken berichtet. Zuweilen werden Biberdämme entfernt, um den Abfluss in darunter liegenden Gewässerabschnitten wieder herzustellen. Umsetzungen von Fischen, Krebsen und Muscheln in Gewässer mit günstigeren Wasserständen fanden unter anderem in Oberfranken, Mittelfranken, der Oberpfalz oder Oberbayern statt. Teilweise kann der Abfluss der Flussperlmuschelbäche in Oberfranken durch Beileitungen aus für diesen Zweck vorgesehene Teichanlagen gestützt werden. Diese Stützung ist noch für zwei Wochen möglich. Eine Entspannung kann nur ergiebiger Regen bringen. Wasserentnahmen aus den Flussperlmuschenbächen wurden durch den Landkreis Hof per Allgemeinverfügung verboten. Für Main und Donau liegen gewässerökologische Alarmpläne vor, um frühzeitig auf kritische Situationen reagieren zu können. An beiden Gewässern wird die Situation momentan intensiv überwacht. Für die Donau wurde im Bereich Regensburg bis Passau die Meldestufe „Warnung“ ausgerufen. Eine weitere Warnung besteht für den Main im Bereich Würzburg bis Kahl. Die hohen Temperaturen, wie auch Nährstoffeinschwemmungen aus lokalen Starkregen begünstigen das Blühen von Grün- und Blaualgen sowohl in Standgewässern als auch in langsam fließenden Bereichen größerer Flüsse. Betroffen ist beispielsweise die Naab von Kallmünz bis Regensburg.
Die Gewässerökologie der großen und tiefen Seen wird maßgeblich von der Temperaturentwicklung im Jahresverlauf geprägt. Die kalten Phasen im Winter sind notwendig um die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers zu sichern und somit Fäulnisprozesse in der Tiefe zu verhindern. Je wärmer das Oberflächenwasser eines Sees im Sommer wird, desto länger dauert es, bis der See im Herbst und Winter so weit abkühlt, dass Sauerstoff in die Tiefe gelangen kann. Die zur Zeit sehr hohe Sonneneinstrahlung bewirkt eine starke Erwärmung. Gefördert wird dies durch die Niedrigwassersituation mit einem geringen Zustrom von kühlerem Grund- und Oberflächenwasser in die Seen. Sonnenlicht und Wärme fördern die Bildung mikroskopisch kleiner im Wasser schwebender Algen, die wiederum nach ihrem Absterben auf den Grund absinken und zur Sauerstoffzehrung in der Tiefe des Sees beitragen. Um eine Beeinträchtigung der Ökologie des Freiwassers durch Sauerstoffmangel feststellen zu können, müssen die Temperatur- und Sauerstoffwerte im weiteren Jahresverlauf ausgewertet werden.
Es treten bereits seit einiger Zeit in einigen Gewässern massenhafte Vorkommen von Blaualgen auf, diese Algenblüten werden ebenfalls von größerer Wärme gefördert. Blaualgen oder auch Cyanobakterien können Toxine (Giftstoffe) bilden und auch zu Hautreaktionen führen. Aus diesem Grund wurden an manchen kleineren Badeseen und auch an einigen größeren Seen in Nordbayern Badewarnungen und zeitweise Verbote ausgesprochen.
Trotz einiger Regenfälle sind die Uferbereiche der Seen wegen momentan sinkender und zum Teil schon als „sehr niedrig“ eingestufter Wasserstände in größeren Teilen trocken gefallen. Die dort siedelnden auf Wasser angewiesenen Organismen weichen in größere Tiefen aus oder sterben ab, wie z.B. die Pflanzen, Algen und Muscheln der Flachwasserzone. Um die Muscheln zu retten, mussten in Unterfranken schon Umsetzungen vorgenommen werden, bei denen die Tiere in tiefere Wasserzonen verbracht werden. Röhrichtbestände werden von der Wasserfläche abgeschnitten und stehen als Rückzugsraum, Schutzzone vor Fraßfeinden und Laichhabitat für Fische und Insekten nicht mehr zur Verfügung.
Auch für die Fische kann die Situation derzeit als angespannt bezeichnet werden. Generell gilt: Je höher die Wassertemperatur, desto niedriger ist der im Wasser gelöste Sauerstoffgehalt. Gerade kälteliebende Fischarten wie z.B. die heimische Bachforelle, Äsche oder auch das Bachneunauge sind dann zunehmend gestresst. “


Ausblick:
Die derzeitige Trendvorhersage des Deutschen Wetterdienstes prognostiziert bis Mitte August zu trockene Niederschlags- und etwas zu warme Temperaturverhältnisse im Vergleich zum Referenzzeitraum 2002 bis 2021. Dadurch wird sich die Niedrigwasserlage weiter verschärfen.

Abb.1: Abweichungen vom mittleren Monatsniederschlag (1971-2000) für die Regionen Nord- und Südbayern im Verlauf der letzten 2 Jahre.



Abb.2: Anteil an Grundwassermessstellen und Quellen mit der Klassifizierung niedrig, sehr niedrig bzw. neuer Niedrigstwert im oberen Grundwasserstockwerk im Verlauf der letzten 2 Jahre.



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