Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern

Niedrigwasser-Lagebericht Bayern

Ausgegeben am 12.08.22, 13:00 Uhr

Auch der August bleibt viel zu trocken. So fielen bislang in Nordbayern im Mittel 4mm Niederschlag (16% vom Mittel 1971 bis 2000 gleichen Zeitraums). In Südbayern waren es 14mm (32% vom Mittel).
77 Prozent der oberflächennahen Grundwassermessstellen und Quellen weisen niedrige und sehr niedrige Grundwasserstände auf. In den tieferen Grundwasser-Stockwerken zeigen 80 Prozent der Messstellen eine Niedrigwassersituation.
Für den Alarmplan Gewässerökologie Donau und Main hat sich die Situation etwas entspannt und die Meldestufe „Warnung“ für den Meldebereich Regensburg bis Passau konnte aufgehoben werden. Die Hochdruckwetterlage mit kühlen Nächten hat zu einer Abnahme der Wassertemperatur geführt. Der Sauerstoffgehalt liegt wieder auf einem ausreichenden Niveau.


Witterung:
Das hydrologische Jahr bleibt weiter zu trocken. So summiert sich der Niederschlag vom 01.11. 2021 bis 11.08.2022 in Nordbayern auf 475mm (76% vom Mittel 1971 bis 2000) und in Südbayern auf 629mm (74% vom Mittel). Die nordbayerische Niederschlagssumme für das bisherige Sommerhalbjahr (01.05. bis 11.08.2022) beträgt 125mm (49% vom Mittel) und ist der niedrigste Wert in der 62-jährigen Beobachtungsreihe, noch unterhalb der 148mm von 1964. In Südbayern (298mm, 73% vom Mittel) lag die Dreimonatssumme (Mai bis Juli) dagegen in den Jahren 1992 (252mm), 1994, 2003, 2006 und 2018 noch niedriger. Der Niederschlagsindex der letzten 90 Tage (SPI) klassifiziert nahezu alle Gebiete nördlich der Donau, mit Ausnahme der niederbayerischen Anteile, als extrem trocken. Einzelne nordbayerische Niederschlagsstationen verzeichnen eine 11- bis 15-tägige Trockenperiode. Südlich der Donau sind Teile des nördlichen Schwabens und Oberbayerns ebenfalls extrem trocken. Die Anzahl der August-Sommertage erreicht bereits knapp das langjährige Mittel des gesamten Monats. Anzahl Sommertage: 8 (Hof), 9 (München, Augsburg), 10 (Nürnberg), 11 (Regensburg, Würzburg). Die Spannweite der heißen Tage reicht von 3 (Hof, München, Augsburg), über 4 (Nürnberg) bis 5 (Regensburg, Würzburg). Die heißen Tage übertreffen bereits jetzt das langjährige Mittel des gesamten Monats August.

Fließgewässer:
Die Abflüsse an den Fließgewässern sind in der letzten Woche aufgrund der fehlenden ergiebigen Niederschläge erneut weiter abgesunken. Dadurch hat sich die ausgeprägte Niedrigwassersituation weiter intensiviert. Bayernweit werden seit mehreren Wochen an den gewässerkundlichen Pegeln überwiegend niedrige bis sehr niedrige Abflüsse beobachtet. Der räumliche Schwerpunkt liegt nördlich des Alpenvorlandes. Hier werden überwiegend Abflüsse unter dem langjährigen mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ) gemessen und als sehr niedrig eingestuft. An einigen Pegeln liegen die Abflüsse im Bereich des niedrigsten bisher gemessenen Tageswertes (NQ), erste Messstellen an kleineren Gewässern in den besonders betroffenen Gebieten führen kein Wasser mehr, und die Abschnitte an kleinen Fließgewässern, die trockenfallen, nehmen zu. Etwas günstiger ist die Abflusssituation an Fließgewässerabschnitten, die durch Speicherabgaben gestützt werden. Eine solche Abflusserhöhung erfolgt derzeit z. B. an der Rednitz/Regnitz durch Abgaben aus dem Roth- sowie Brombachsee (siehe Speicher).
Für Anfang kommender Woche werden Schauer und Gewitter erwartet. Diese können nur lokal und auch nur kurzfristig für ansteigende Abflüsse sorgen. Bei weiter ausbleibenden ergiebigen Niederschläge wird die Niedrigwassersituation weiter anhalten.

Seen und Speicher:
Auch an den Seen setzt sich die Niedrigwassersituation weiter fort. Auch hier sind die Wasserstände durch die geringen Zuflüsse und die hohe Verdunstung weiter abgesunken. An den größeren Seen im Süden Bayerns werden vielfach weiterhin niedrige bis sehr niedrige Wasserstände beobachtet.
Die Betriebsräume der Talsperren mit Funktion der Niedrigwasseraufhöhung sind derzeit zwischen 58 % und 100 % gefüllt. Sie können für die Niedrigwasseraufhöhung in Anspruch genommen werden. Davon ausgenommen sind die drei Anlagen Ellertshäuser See, Eixendorfer See und Liebensteinspeicher, an denen aktuell Baumaßnahmen durchgeführt werden. Am Ellertshäuser See laufen derzeit umfangreiche Sanierungsmaßnahmen, der See ist komplett abgestaut. Weitergehende Informationen sind im Internet unter https://wwa-ellertshaeusersee.de/ zu finden. An der Anlage Eixendorfer See erfolgen ebenfalls Sanierungen, die einen aktuellen Teilabstau der Talsperre auf das Absenkziel erforderlich machen. Der Liebensteinspeicher wurde für Brückenabrissarbeiten der Gemeinde Plößberg teilabgestaut. Nach einer Wiederaufstauphase erfolgt aktuell wieder eine moderate Niedrigwasseraufhöhung für die Waldnaab. Am Donaupegel Neu-Ulm, Bad Held ist der Grenzwert von 44 m3/s unterschritten. Aufgrund der aktuellen Wetterprognose werden deshalb zur Niedrigwasseraufhöhung seit dem 9. August aus dem Rottachsee bis auf Weiteres etwa 2 m3/s abgegeben, wodurch der Wasserstand des Rottachsees um etwa 6 cm pro Tag sinkt. Der Rothsee erhält aktuell kein Wasser über den Main-Donau-Kanal von der Donau, da der Grenzwert am Donau-Pegel Kehlheim-Winzer unterschritten ist. Aufgrund dessen ist die Abgabe in die Roth seit dem 11.08.2022 auf 2 m3/s reduziert. Das Überleitungssystem „Donau-Main“ kann unter Mitwirkung des Rothsees und des von der Altmühl gespeisten Großen Brombachsees das Maingebiet planmäßig mit Wasser versorgen. Die Betriebsräume der Trinkwasserspeicher Mauthaus und Frauenau sind derzeit zur uneingeschränkten Wasserlieferung an die Fernwasserversorger ausreichend gefüllt.

Grundwasserstände:
Die Grundwasserneubildung und die damit einhergehende Erholung der Grundwasserstände findet vorwiegend im hydrologischen Winterhalbjahr (November bis April) statt. Die Niederschlagsbilanz des vergangenen Winterhalbjahres 2021/22 fiel jedoch, besonders in Südbayern (74% vom Mittel), erneut zu trocken aus. Auch die Folgemonate Mai, Juni, Juli sowie der bisherige August waren in weiten Teilen Bayerns erheblich zu trocken. Das für diese Jahreszeit übliche Niveau der Grundwasserstände und Quellschüttungen wird aktuell nur noch in Teilen des ostbayerischen Kristallin sowie in Teilen Unterfrankens erreicht. In den übrigen nordbayerischen Regionen werden vermehrt (sehr) niedrige Grundwasserstände registriert. Besonders betroffen sind hier der fränkische Jura, der mittelfränkische Sandsteinkeuper und zum Teil Messstellen entlang der nordbayerischen Flüsse (Quartär). In Südbayern hingegen unterschreiten die meisten Messstellen das für diese Jahreszeit übliche Niveau bereits erheblich. Besonders betroffen sind hier viele Messstellen des Quartär und der Alpinen Gesteine sowie nahezu alle Messstellen des Tertiär und der Oberen Süßwassermolasse. Die Anzahl an Messstellen mit neuen gemessenen Niedrigstwerten hat sich in den letzten Tagen deutlich erhöht. Über ganz Bayern betrachtet liegt der aktuelle Anteil der niedrig klassifizierten Messstellen im obersten Grundwasserstockwerk mit rd. 77 % erheblich über dem Niveau der Jahre 2020 (rd. 36 %) und 2021 (rd. 17 %). Auch während der letzten ausgeprägten Trockenjahre 2015 und 2018 war der Anteil niedriger Messstellen zum 11. August mit jeweils rd. 63% geringer. Auf Grund der bayernweit stark ausgetrockneten Böden sowie dem hohen Wasserbedarf der Vegetation ist für das weitere hydrologische Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) mit rückläufigen Grundwasserständen und Quellschüttungen zu rechnen. Bei anhaltender Trockenheit wird sich die Anzahl an Messstellen mit neuen Niedrigstwerten weiter erhöhen.
Entwicklung der Grundwasserstände in den tieferen Grundwasserstockwerken:
Die Grundwassermessstellen der tieferen Grundwasserstockwerke weisen bereits seit dem Trockenjahr 2015 mehrheitlich niedrige Grundwasserstände auf. Zuletzt kam es, als Folge der teilweise sehr feuchten Sommermonate 2021, zu einer geringfügigen Erholung, welche sich jedoch als nicht nachhaltig erwies. Der Anteil der aktuell als niedrig und sehr niedrig klassifizierten Grundwassermessstellen liegt mit rd. 80% wieder über dem Niveau der Jahre 2020 (rd. 69 %) und 2021 (rd. 58 %). Besonders von niedrigen Grundwasserständen betroffen sind die Messstellen des Jura von Oberfranken bis Schwaben, des mittelfränkischen Sandsteinkeupers sowie des Tertiärs zwischen Alpenvorland und Donau.
Entwicklung der Grundwasserneubildung in den letzten Jahren:
Aufgrund der zu geringen Niederschläge der letzten Jahre weist die Grundwasserneubildung in Bayern bereits seit 2003, und somit seit nahezu 20 Jahren, ein mittleres jährliches Defizit von rd. 16 % auf. Diese Situation hat sich durch das erneut unterdurchschnittliche Jahr 2021 nicht gebessert. Durch die zuletzt gehäuft aufgetretenen Trockenjahre (2015, 2018, 2019, 2020) kann dieses Defizit allenfalls durch ein außergewöhnlich niederschlagsreiches Winterhalbjahr 2022/23 verringert werden.

Gewässerökologie Fließgewässer und Seen:
Die gewässerökologische Situation in unseren Fließgewässern wird maßgeblich durch das Zusammenspiel von Wassertemperatur, Sauerstoff und Abfluss bzw. Wasserstand und Strömung bestimmt. Viele Fließgewässer in ganz Bayern haben sich durch die anhaltende Hitze deutlich erwärmt. Die Werte liegen vereinzelt im Bereich der gesetzlichen Orientierungswerte der Wassertemperatur, wie sie für verschiedene Fischgemeinschaften in der Oberflächengewässerverordnung festgelegt wurden. In einigen Gewässern haben aber offenbar die kühlen Nächte der vergangenen Tage zu einer leichten Entspannung geführt.
Eine gewässerökologisch ernste Situation ist bei den Abflüssen in den Fließgewässern festzustellen. Mehr als 90 Prozent der Gewässer weisen niedrige bis sehr niedrige Abflüsse auf. Die Lebensräume und Wanderungsmöglichkeiten für die Gewässerorganismen sind daher eingeschränkt. Vielerorts sind kleine und teilweise auch mittelgroße Fließgewässer trocken gefallen. Einzelne bekannt gewordene Fischsterben in Fließgewässern müssen im Zusammenhang mit den ebenfalls sehr niedrigen Abflüssen bzw. lokalem Trockenfallen und der sich verschlechternden Sauerstoffversorgung betrachtet werden. In ganz Bayern werden lokale Maßnahmen wie das Abfischen aus Restwasserpfützen oder Umsetzungsmaßnahmen von Krebsen oder Muscheln vorgenommen. Als besorgniserregend muss die Situation für die oberfränkischen Flussperlmuschelbestände betrachtet werden. Wo dies möglich war, wurden bereits Muschelbestände in Teiche umgesetzt. Teilweise können Bäche über geringe Zuleitungen aus Teichen feucht gehalten werden. Auffällig ist in vielen bayerischen Flüssen die Ausbildung großer Bestände von Wasserpflanzen. Diese Entwicklung ist charakteristisch für Niedrigwasserphasen. Die Pflanzen profitieren insbesondere von der niedrigen mechanischen Belastung bei geringer Strömung im benetzten Gewässerbett und auf trockengefallenem Gewässergrund. Für den Alarmplan Gewässerökologie Donau hat sich die Situation etwas entspannt und die Meldestufe „Warnung“ für den Meldebereich Regensburg bis Passau konnte aufgehoben werden. Die Hochdruckwetterlage mit kühlen Nächten hat zu einer Abnahme der Wassertemperatur geführt. Der Sauerstoffgehalt liegt wieder auf einem ausreichenden Niveau. Am Main ist momentan nur ein relativ schwacher Abfluss vorhanden, was zu längeren Verweilzeiten des Wassers in dem Staubereichen führt. Wassertemperatur und Sauerstoffgehalt liegen aber dennoch in einem nicht kritischen Bereich. Insgesamt ist es aus Sicht der Wasserwirtschaftungsverwaltung in der gegenwärtigen Situation wichtig, jede unnötige Störung in unseren Fließgewässern zu vermeiden. Dies gilt für Maßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung bis hin zur Freizeitnutzung.
Die Gewässerökologie der großen und tiefen Seen wird maßgeblich von der Temperaturentwicklung im Jahresverlauf geprägt. Die kalten Phasen im Winter sind notwendig um die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers zu sichern und somit Fäulnisprozesse in der Tiefe zu verhindern. Je wärmer das Oberflächenwasser eines Sees im Sommer wird, desto länger dauert es, bis der See im Herbst und Winter so weit abkühlt, dass Sauerstoff in die Tiefe gelangen kann. Die zur Zeit sehr hohe Sonneneinstrahlung bewirkt eine starke Erwärmung. Gefördert wird dies durch die Niedrigwassersituation mit einem geringen Zustrom von kühlerem Grund- und Oberflächenwasser in die Seen. Sonnenlicht und Wärme fördern die Bildung mikroskopisch kleiner im Wasser schwebender Algen, die wiederum nach ihrem Absterben auf den Grund absinken und zur Sauerstoffzehrung in der Tiefe des Sees beitragen. Um eine Beeinträchtigung der Ökologie des Freiwassers durch Sauerstoffmangel feststellen zu können, müssen die Temperatur- und Sauerstoffwerte im weiteren Jahresverlauf ausgewertet werden.
Es treten bereits seit einiger Zeit in verschiedenen Gewässern massenhafte Vorkommen von Blaualgen auf, diese Algenblüten werden von größerer Wärme gefördert. Blaualgen oder auch Cyanobakterien können Toxine (Giftstoffe) bilden und auch zu Hautreaktionen führen. Aus diesem Grund wurden an manchen kleineren Badeseen und auch an einigen größeren Seen in Nordbayern Badewarnungen und zeitweise Verbote ausgesprochen. Erste Vorkommen von Zerkarien wurden gemeldet. Es handelt sich hierbei um Parasiten, die bei höheren Wassertemperaturen in großen Mengen auftreten können und in der Regel Wasservögel befallen. Treffen sie auf Menschen, bewirken sie einen stark juckenden Ausschlag, die sogenannte Badedermatitis. Die Wasserständer der Seen sinken stetig und sind zum Teil schon als „sehr niedrig“ eingestuft. Große Teile der Uferbereiche sind trocken gefallen. Die dort siedelnden auf Wasser angewiesenen Organismen weichen in größere Tiefen aus oder sterben ab, wie z.B. die Pflanzen, Algen und Muscheln der Flachwasserzone. Um die Muscheln zu retten, mussten in Unterfranken schon Umsetzungen vorgenommen werden, bei denen die Tiere in tiefere Wasserzonen verbracht werden. Röhrichtbestände werden von der Wasserfläche abgeschnitten und stehen als Rückzugsraum, Schutzzone vor Fraßfeinden und Laichhabitat für Fische und Insekten nicht mehr zur Verfügung.
Für die Fische muss die Situation weiterhin als angespannt bezeichnet werden. Mit steigenden Wassertemperaturen und damit verbundenen niedrigeren Sauerstoffgehalten sind gerade kälteliebende Fischarten wie z.B. die heimische Bachforelle, Äsche oder auch das Bachneunauge zunehmend gestresst. Zusätzliche Störungen, z.B. auch im Rahmen nicht zwingend nötiger Freizeit-Aktivitäten an Gewässern, sollten derzeit möglichst vermieden werden.


Ausblick:
Die derzeitige Trendvorhersage des Deutschen Wetterdienstes prognostiziert bis Ende August mittlere Niederschlags- und warme Temperaturverhältnisse im Vergleich zum Referenzzeitraum 2002 bis 2021. Dadurch bleibt die Niedrigwasserlage weiterhin angespannt.

Abb.1: Abweichungen vom mittleren Monatsniederschlag (1971-2000) für die Regionen Nord- und Südbayern im Verlauf der letzten 2 Jahre.



Abb.2: Anteil an Grundwassermessstellen und Quellen mit der Klassifizierung niedrig, sehr niedrig bzw. neuer Niedrigstwert im oberen Grundwasserstockwerk im Verlauf der letzten 2 Jahre.



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