Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern

Niedrigwasser-Lagebericht Bayern

Ausgegeben am 05.09.22, 14:00 Uhr

Weite Teile Nordbayerns zeigen nach wie vor extrem trockene Niederschlagsverhältnisse. Starke Blaualgenentwicklungen beeinträchtigen anhaltend vor allem die Freizeitnutzung an einigen Seen, auch Fließgewässer können betroffen sein. Der verbleibende Betriebsraum für die Niedrigwasseraufhöhung ist beim Sylvensteinspeicher unter 50 Prozent gefallen. 67 Prozent der oberflächennahen Grundwassermessstellen und Quellen weisen niedrige und sehr niedrige Grundwasserstände auf. In den tieferen Grundwasser-Stockwerken zeigen 75 Prozent der Messstellen eine Niedrigwassersituation.

Witterung:
Der Niederschlag des bisherigen hydrologischen Sommerhalbjahres (01.05 bis 04.09.2022) summiert sich in Nordbayern auf 178mm (56% vom Mittel 1971 bis 2000, Niederschlagsdefizit: 139mm) und in Südbayern auf 404mm (79% vom Mittel, Niederschlagsdefizit: 107mm). Die stark unterschiedliche Verteilung der Regenfälle (Abb. 1 und Abb. 3) war auch im zurückliegenden August zu beobachten. So verzeichnete die Station Bad Neustadt an der Saale/Lkr. Rhön-Grabfeld 5mm und die Messstelle Hindelang-Unterjoch/Lkr. Oberallgäu 238mm Monatsniederschlag. Der Niederschlagsindex der letzten 90 Tage (SPI) klassifiziert weiterhin große Teile Frankens und der Oberpfalz als sehr oder extrem trocken. Teile von Schwaben, Oberbayern und Niederbayern zeigen in dieser 90 Tagebilanz durchschnittliche Verhältnisse. Im laufenden Kalenderjahr 2022 variiert die Anzahl der Sommertage zwischen 48 (Hof), 67 (Augsburg), 73 (Würzburg) und 85 (Regensburg). Im Vergleich zum langjährigen Mittel waren das stationsabhängig 27 bis 40 zusätzliche Sommertage. Die Spannweite der heißen Tage reicht von 9 (Hof), über 15 (München) bis 34 (Regensburg) und damit wird das Drei- bis Fünffache des jeweiligen Stationsmittelwertes erreicht.

Fließgewässer:
In weiten Teilen Bayerns hält die ausgeprägte Niedrigwassersituation an den Fließgewässern an. Die Niederschläge der vergangenen Wochen haben meist nur kurzfristig und lokal, aber nicht nachhaltig, für Entspannung gesorgt. Aktuell werden nahezu flächendeckend an den gewässerkundlichen Pegeln niedrige bis sehr niedrige Abflüsse beobachtet. Nördlich des Alpenvorlandes werden verbreitet Abflüsse deutlich unter dem langjährigen mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ) gemessen und als sehr niedrig eingestuft. An einigen Pegeln liegen die Abflüsse im Bereich des niedrigsten bisher gemessenen Tageswertes (NQ). Abschnittsweise sind kleinere Fließgewässer trockengefallen. Etwas günstiger ist die Abflusssituation an Fließgewässerabschnitten, die durch Speicherabgaben gestützt werden. Eine solche Abflusserhöhung erfolgt derzeit z. B. an der Rednitz/Regnitz durch Abgaben aus dem Roth- sowie Brombachsee (siehe Speicher). Aufgrund der für
die kommenden Tage vorhergesagten Niederschläge und auch niedrigeren Lufttemperaturen wird sich die Niedrigwassersituation voraussichtlich nicht wesentlich intensivieren, in Teilbereichen kann es auch zumindest vorübergehend zu höheren Abflüssen kommen.

Seen und Speicher:
Auch an den Seen setzt sich vielfach die Niedrigwassersituation weiter fort. So werden an einigen der großen Seen im Süden Bayerns weiterhin niedrige bis sehr niedrige Wasserstände registriert.
Die Füllung der Betriebsräume der Talsperren mit Funktion der Niedrigwasseraufhöhung nahm, mit Ausnahme des Altmühl- und Rottachsees, in den letzten sieben Tagen weiter ab. Sie sind derzeit zwischen 38 und 100% gefüllt und können für die Niedrigwasseraufhöhung in Anspruch genommen werden.
Die vergangenen Niederschläge brachten für den Sylvensteinspeicher keine Stauerhöhung. Aufgrund der unter 50% liegenden Füllung des Betriebsraumes für die Niedrigwasseraufhöhung wird am Pegel Bad Tölz nunmehr ein Mindestabfluss von 15 m³/s angestrebt.
An den drei Anlagen, Ellertshäuser See, Eixendorfer See und Liebensteinspeicher, werden aktuell Baumaßnahmen durchgeführt. Der Ellertshäuser See ist für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen komplett abgestaut (siehe auch: https://wwa-ellertshaeusersee.de), der Eixendorfer See für Sanierungen teilabgestaut. Der Liebensteinspeicher wurde für Brückenabrissarbeiten der Gemeinde Plößberg ebenfalls teilabgestaut. In der derzeitigen Wiederaufstauphase erfolgt derzeit wieder eine moderate Niedrigwasseraufhöhung für die Waldnaab.
Die Hauptlast der Main-Donau-Überleitung trägt zur Zeit der mit Donauwasser gespeiste Rothsee. Der durch Altmühlwasser gespeiste Große Brombachsee, welcher in der vergangenen niederschlagsarmen Zeit die Hauptlast trug, speist momentan 0,3 m³/s zur Überleitung in das Main-Einzugsgebiet ein.
Die Betriebsräume der Trinkwasserspeicher Mauthaus und Frauenau sind derzeit zur uneingeschränkten Wasserlieferung an die Fernwasserversorger ausreichend gefüllt.

Grundwasserstände:
Die Grundwasserneubildung und die damit einhergehende Erholung der Grundwasserstände findet vorwiegend im hydrologischen Winterhalbjahr (November bis April) statt. Die Niederschlagsbilanz des vergangenen Winterhalbjahres 2021/22 fiel jedoch, besonders in Südbayern (74% vom Mittel), erneut zu trocken aus. Auch die Folgemonate Mai, Juni, Juli sowie der bisherige August waren in weiten Teilen Bayerns erheblich zu trocken.
Das für diese Jahreszeit übliche Niveau der Grundwasserstände und Quellschüttungen wird aktuell nur noch in Teilen des ostbayerischen Kristallin sowie in Teilen Unterfrankens erreicht. In den übrigen nordbayerischen Regionen werden vermehrt (sehr) niedrige Grundwasserstände registriert. Besonders betroffen sind hier der fränkische Jura, der mittelfränkische Sandsteinkeuper und zum Teil Messstellen entlang der nordbayerischen Flüsse (Quartär). In Südbayern hingegen unterschreiten die meisten Messstellen das für diese Jahreszeit übliche Niveau bereits erheblich. Besonders betroffen sind hier viele Messstellen des Quartär und der Alpinen Gesteine sowie nahezu alle Messstellen des Tertiär und der Oberen Süßwassermolasse.
Trotz der Mitte August besonders in Südbayern ergiebigen Niederschläge hat sich der Trend zu einem Rückgang der Niedrigwassersituation im Grundwasser nicht weiter fortgesetzt. Die Grundwasserstände sind vielerorts nach Ende der Hochwassersituation wieder leicht abgefallen bzw. pendeln auf einem gleichbleibenden Niveau. Dass sich die Niedrigwassersituation nicht wieder verschärft hat, ist den in den letzten Tagen in Südbayern gefallenen Niederschlägen zu verdanken.
Über ganz Bayern betrachtet liegt der aktuelle Anteil der niedrig klassifizierten Messstellen im obersten Grundwasserstockwerk mit rd. 67% (Abb. 2) weiterhin erheblich über dem Niveau der Jahre 2020 (rd. 31%) und 2021 (rd. 13%). Auch während des ausgeprägten Trockenjahres 2015 war der Anteil niedriger Messstellen zum 21. August mit rd. 60% geringer.
Auf Grund der bayernweit stark ausgetrockneten Böden sowie dem hohen Wasserbedarf der Vegetation ist für das weitere hydrologische Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) mit rückläufigen Grundwasserständen und Quellschüttungen zu rechnen. Bei anhaltender Trockenheit wird sich die Anzahl an Messstellen mit niedrigen Werten wieder erhöhen.
Entwicklung der Grundwasserstände in den tieferen Grundwasserstockwerken:
Die Grundwassermessstellen der tieferen Grundwasserstockwerke weisen bereits seit dem Trockenjahr 2015 mehrheitlich niedrige Grundwasserstände auf. Zuletzt kam es, als Folge der teilweise sehr feuchten Sommermonate 2021, zu einer geringfügigen Erholung, welche sich jedoch als nicht nachhaltig erwies. Der Anteil der aktuell als niedrig und sehr niedrig klassifizierten Grundwassermessstellen liegt mit rd. 75% wieder über dem Niveau der Jahre 2020 (rd. 67%) und 2021 (rd. 52%). Besonders von niedrigen Grundwasserständen betroffen sind die Messstellen des Jura von Oberfranken bis Schwaben, des mittelfränkischen Sandsteinkeupers sowie des Tertiärs zwischen Alpenvorland und Donau.
Entwicklung der Grundwasserneubildung in den letzten Jahren:
Aufgrund der zu geringen Niederschläge der letzten Jahre weist die Grundwasserneubildung in Bayern bereits seit 2003, und somit seit nahezu 20 Jahren, ein mittleres jährliches Defizit von rd. 16% auf. Diese Situation hat sich durch das erneut unterdurchschnittliche Jahr 2021 nicht gebessert. Durch die zuletzt gehäuft aufgetretenen Trockenjahre (2015, 2018, 2019, 2020) kann dieses Defizit allenfalls durch ein außergewöhnlich niederschlagsreiches Winterhalbjahr 2022/23 verringert werden.

Gewässerökologie Fließgewässer und Seen:
Die gewässerökologische Situation in unseren Fließgewässern wird maßgeblich durch das Zusammenspiel von Wassertemperatur, Sauerstoff und Abfluss bzw. Wasserstand und Strömung bestimmt.
Viele Fließgewässer in ganz Bayern sind zwar noch erwärmt, kühlen sich jedoch insbesondere aufgrund der niedrigeren Temperaturen in der Nacht allmählich ab. Die Werte liegen nahezu überall unterhalb der gesetzlichen Orientierungswerte der Wassertemperatur, wie sie für verschiedene Fischgemeinschaften in der Oberflächengewässerverordnung festgelegt wurden.
Durch die nach wie vor sehr geringen Abflüsse in den Fließgewässern bleibt die gewässerökologische Situation ernst. Die aktuell vorhergesagten Niederschläge können die hydrologischen Lebensraumbedingungen nur dann nachhaltig stabilisieren, wenn es auch in der Folgezeit ausreichend Niederschläge gibt. Derzeit sind die Lebensräume und Wandermöglichkeiten für die Gewässerorganismen lokal noch stark beeinträchtigt bzw. eingeschränkt, da vielerorts immer noch kleine und teilweise auch mittelgroße Fließgewässer trockengefallen sind oder sehr wenig Wasser führen. Vor diesem Hintergrund muss die Situation für die Fische insgesamt weiterhin als angespannt eingestuft werden. Bei erhöhten Wassertemperaturen und damit verbundenen niedrigeren Sauerstoffgehalten sind gerade kälteliebende Fischarten wie z.B. die heimische Bachforelle, Äsche oder auch das Bachneunauge zunehmend gestresst.
Einzelne bekannt gewordene Fisch-, Muschel- oder Krebssterben stehen hauptsächlich im Zusammenhang mit den aktuell sehr niedrigen Abflüssen bzw. lokalem Trockenfallen kleinerer Fließgewässer. In ganz Bayern wurden lokal Tiere umgesetzt. Ein Teil der oberfränkischen Flussperlmuschelbestände verbleibt in einer Muschelzuchtstation, die Situation kann sich bei ausbleibenden Niederschlägen weiter verschärfen. Andere Flussperlmuschelbäche können über geringe Zuleitungen aus Teichen feucht gehalten werden. Bergungsaktionen und Wasserzuleitungen für die ebenso geschützte Bachmuschel wurden aus Oberfranken, Schwaben und Oberbayern berichtet.
Auffällig ist in vielen bayerischen Flüssen die Ausbildung großer Bestände von Wasserpflanzen. Diese Entwicklung ist charakteristisch für Niedrigwasserphasen. Die Pflanzen profitieren insbesondere von der niedrigen mechanischen Belastung bei geringer Strömung im benetzten Gewässerbett und auf trockengefallenem Gewässergrund. Die Algen in Main und Donau sorgen für einen schwankenden Sauerstoffgehalt: Während er tagsüber ansteigt, sinkt er nachts ab. Die Minimalwerte sind aber nicht in einem kritischen Bereich, so dass keine Warnung entsprechend der Alarmpläne Gewässerökologie notwendig wird. Am Main ist momentan nur ein relativ schwacher Abfluss vorhanden, was zu längeren Verweilzeiten des Wassers in den Staubereichen führt. Wassertemperatur und Sauerstoffgehalt liegen aber dennoch in einem nicht kritischen Bereich.
Angesichts der derzeitigen Witterungsentwicklung ist für die Fließgewässer weiterhin von einer gewässerökologisch kritischen Lage auszugehen. Daher ist es aus Sicht der Wasserwirtschaftsverwaltung in der gegenwärtigen Situation wichtig, jede unnötige Störung in unseren Fließgewässern zu vermeiden. Dies gilt für Maßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung bis hin zur Freizeitnutzung.
Entwicklung in den Seen
Die Gewässerökologie der großen und tiefen Seen wird maßgeblich von der Temperaturentwicklung im Jahresverlauf geprägt. Die kalten Phasen im Winter sind notwendig um die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers zu sichern und somit Fäulnisprozesse in der Tiefe zu verhindern. Je wärmer das Oberflächenwasser eines Sees im Sommer wird, desto länger dauert es, bis der See im Herbst und Winter so weit abkühlt, dass Sauerstoff in die Tiefe gelangen kann. Bei einer Niedrigwasserlage mit einem geringen Zustrom von kühlerem Grund- und Oberflächenwasser in die Seen werden höhere Temperaturen verstärkt. Sonnenlicht und Wärme fördern die Bildung mikroskopisch kleiner im Wasser schwebender Algen, die wiederum nach ihrem Absterben auf den Grund absinken und zur Sauerstoffzehrung in der Tiefe des Sees beitragen. Um eine Beeinträchtigung der Ökologie des Freiwassers durch Sauerstoffmangel feststellen zu können, werden die Temperatur- und Sauerstoffwerte im weiteren Jahresverlauf ausgewertet.
Es treten bereits seit einiger Zeit in verschiedenen Gewässern massenhafte Vorkommen von Blaualgen auf, diese Algenblüten werden von größerer Wärme gefördert. Blaualgen oder auch Cyanobakterien können Toxine (Giftstoffe) bilden und auch zu Hautreaktionen führen. Aus diesem Grund wurden an manchen kleineren Badeseen und auch an einigen größeren Seen in Nordbayern Badewarnungen und zeitweise Verbote ausgesprochen. Aktuell sind beispielsweise der Altmühlsee, der Eixendorfer See und der Drachensee betroffen.
Ebenfalls an Wärme angepasste Süßwasserquallen wurden beobachtet.
Die Niederschläge in der vergangenen Woche haben den Wasserstand einiger Seen leicht erhöht, haben aber nicht zu einer substanziellen Besserung der Niedrigwassersituation in den Seen geführt. Weiterhin gibt es die als „niedrig“ oder „sehr niedrig“ eingestuften Wasserstände. Große Teile der Uferbereiche sind trockengefallen. Die dort siedelnden auf Wasser angewiesenen Organismen weichen in größere Tiefen aus oder sterben ab, wie z.B. die Pflanzen, Algen und Muscheln der Flachwasserzone. Röhrichtbestände sind von der Wasserfläche abgeschnitten und stehen als Rückzugsraum, Schutzzone vor Fraßfeinden und Laichhabitat für Fische und Insekten nicht mehr zur Verfügung. Die Röhrichtpflanzen selbst sind durch Trockenheit gefährdet.

Ausblick:
Die derzeitige Trendvorhersage des Deutschen Wetterdienstes prognostiziert bis zum 18. September etwas zu nasse Niederschlagsverhältnisse bei überdurchschnittlich warmen Temperaturen. Diese Einstufungen ergeben sich aus dem Vergleich mit dem Referenzzeitraum 2002 bis 2021. Bei unbeständigem Wetter mit Regenfällen und Schauern kann sich die Niedrigwasserlage etwas entspannen.

Abb.1: Abweichungen vom mittleren Monatsniederschlag (1971-2000) für die Regionen Nord- und Südbayern im Verlauf der letzten 2 Jahre.



Abb.2: Anteil an Grundwassermessstellen und Quellen mit der Klassifizierung niedrig, sehr niedrig bzw. neuer Niedrigstwert im oberen Grundwasserstockwerk im Verlauf der letzten 2 Jahre.



Abb.3: Monatsniederschläge [mm] des bisherigen hydrologischen Sommerhalbjahres 2022 und relative Abweichungen zum Mittel 1971 bis 2000 [%].


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