Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern

Niedrigwasser-Lagebericht Bayern

Ausgegeben am 04.01.23, 14:00 Uhr

Bayern erlebte 2022 das wärmste Jahr der 142-jährigen Beobachtungsreihe und das Niederschlagsdefizit des Kalenderjahres 2022 beträgt für Nordbayern 95 und für Südbayern 200 Liter pro Quadratmeter. 29 Prozent der oberflächennahen Grundwassermessstellen und Quellen weisen niedrige und sehr niedrige Grundwasserstände auf. In den tieferen Grundwasser-Stockwerken zeigen 56 Prozent der Messstellen eine Niedrigwassersituation.

Witterung:
Der Niederschlag des Kalenderjahres 2022 summiert sich für Nordbayern auf 708mm (88% vom Mittel 1971 bis 2000) und für Südbayern auf 913mm (82% vom Mittel). Damit hält die Häufung zu trockener Jahre an – von den letzten 12 Jahren fielen nur 2017 sowie 2021 etwas zu nass aus. Der Blick auf die monatlichen Niederschlagsverhältnisse des Jahres 2022 zeigt (Abb. 1): in Südbayern blieben 10 und in Nordbayern 8 der 12 Monate statistisch zu trocken. Dabei waren die Monate März und Juli sogar deutlich zu trocken. Die Temperaturbilanz Bayerns fällt noch extremer aus. Das Jahr 2022 ist das wärmste Jahr der 142-jährigen Beobachtungsreihe (Durchschnittstemperatur 9,9°C) und setzt als 12-tes zu warmes Jahr in Folge den Erwärmungstrend fort. Die Dezemberregen- und Schneefälle haben das Niederschlagsdefizit etwas verringert, aber dennoch startet das bisherige hydrologische Winterhalbjahr zu trocken.

Fließgewässer:
Die Fließgewässer Bayerns beendeten das Kalenderjahr 2022 mit Abflüssen oberhalb der Niedrigwasserschwellen. Hierzu haben die z. T. ergiebigen Niederschläge vom 20. bis 24. Dezember 2022 und die zumindest durchschnittlichen Niederschlagsmengen im letzten Quartal 2022 beigetragen. Vom Jahr 2022 wird jedoch die sehr lange und ausgeprägte Niedrigwassersituation von April bis Ende September in Erinnerung bleiben, bei der teilweise neue Niedrigstwerte (NQ) auftraten und in den besonders betroffenen Gebieten kleinere Gewässer oder Gewässerabschnitte trockenfielen. Aktuell werden nur an wenigen Pegeln für die Jahreszeit niedrige Abflüsse registriert.

Seen und Speicher:
Analog zu den Fließgewässern hat sich nach den sehr trockenen Sommermonaten auch die Niedrigwassersituation an den Seen im 4. Quartal 2022 entspannt. Zum Jahreswechsel sind die Wasserstände an den Seen im Süden Bayerns angestiegen, so dass aktuell keine Niedrigwassersituation besteht.
Die Niederschläge seit Herbst sorgten überwiegend für einen Wiederanstieg in den Betriebsräumen der staatlichen Wasserspeicher mit Funktion der Niedrigwasseraufhöhung. Sie sind derzeit, mit Ausnahme des Brombachsees (42%), zu über 50% gefüllt und können für die Niedrigwasseraufhöhung in Anspruch genommen werden.
An den vier Anlagen, Ellertshäuser See, Eixendorfer See, Liebensteinspeicher und Trinkwassertalsperre (TWT) Mauthaus werden aktuell weiterhin Baumaßnahmen durchgeführt, so dass dort keine bzw. nur sehr begrenzt Niedrigwasseraufhöhung erfolgen kann. Der Ellertshäuser See wurde im Jahr 2021 für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen komplett abgestaut (siehe auch: https://wwa-ellertshaeusersee.de). Der Wiederaufstau an der neu errichteten Grundsperre wurde mit einem Ministertermin am 22. September 2022 begonnen. Der Eixendorfer See ist für Sanierungen (Bau eines neuen Entnahmeturms) teilabgestaut. Der Liebensteinspeicher wurde für Brückenabrissarbeiten der Gemeinde Plößberg ebenfalls teilabgestaut, befindet sich jedoch wieder im Aufstau und zwischenzeitlich wieder deutlich über den Absenkzielen.
Die Hauptlast der Main-Donau-Überleitung trägt zur Zeit der mit Donauwasser gespeiste Rothsee. Der durch Altmühlwasser gespeiste Große Brombachsee leitet momentan 0,3m³/s in das Main-Einzugsgebiet ein. Die Betriebsräume der Trinkwasserspeicher Mauthaus und Frauenau sind derzeit zur uneingeschränkten Wasserlieferung an die Fernwasserversorger ausreichend gefüllt.

Grundwasserstände:
Nach einem zu trockenen Frühjahr, gefolgt von einem sehr heißen und trockenen Sommer, erreichte die Niedrigwassersituation im oberen Grundwasserstockwerk Mitte August ihren Höhepunkt, als an rund 80% der Messstellen niedrige bzw. sehr niedrige Messwerte registriert wurden. Anschließend führten zum Teil ergiebige Niederschläge bis Anfang Dezember zu einer vorübergehenden Erholung, die jedoch überwiegend in schnell regenerierenden Grundwasservorkommen entlang der Fließgewässer, sowie in Grundwasservorkommen mit geringer Überdeckung erfolgte. Nach einer erneut zu trockenen Phase im Dezember reduzierte sich der Anteil der als niedrig bzw. sehr niedrig klassifizierten Messstellen im oberen Grundwasserstockwerk dann nach weiteren Niederschlägen zum Jahreswechsel auf rd. 29% (Abb. 2). Besonders von Niedrigwasser betroffen waren im Jahr 2022 in Nordbayern der fränkische Jura, der fränkische Sandsteinkeuper und z.T. Grundwasserleiter entlang der Flüsse (Quartär). In Südbayern besonders betroffen waren das Tertiär bzw. die Obere Süßwassermolasse sowie weite Bereiche des Alpenvorlands mit Schwerpunkt Münchner Schotterebene.
Durch den Vergleich des Jahresmittelwertes 2022 der in Bayern als niedrig und sehr niedrig klassifizierten Grundwassermessstellen mit dem Jahresmittelwert der Vorjahre zeigt sich die außergewöhnliche Betroffenheit der Grundwasservorkommen durch die langanhaltende Trocken- und Hitzephase 2022. So wiesen im Jahr 2022 im Mittel 48% der Messstellen eine Niedrigwassersituation auf. Dies entspricht dem bisherigen Höchstwert des Trockenjahres 2020 (48%), und übertrifft die Werte der Trockenjahre 2019 (45%) und 2018 (44%). In der Folge wurden im Jahr 2022 an vielen Messstellen neue Niedrigstwerte registriert.

Entwicklung der Grundwasserneubildung in den letzten Jahren:
Aufgrund der zu geringen Niederschläge der letzten Jahre weist die Grundwasserneubildung in Bayern seit 2003 ein mittleres jährliches Defizit von 16% auf. Durch die zuletzt gehäuft aufgetretenen Trockenjahre (2015, 2018, 2019, 2020, 2022) kann dieses Defizit nicht durch einzelne regenreiche Monate langfristig ausgeglichen werden. Insbesondere (Stark-) Niederschläge in hoher Menge und kurzer Dauer fließen auf ausgetrockneten Böden teilweise direkt wieder an der Oberfläche ab. In Kombination mit der hohen Pflanzenverdunstung im Sommerhalbjahr (Mai-Oktober) stehen die Niederschläge für eine Auffüllung der Grundwasservorräte daher nur zu einem vergleichsweise geringen Anteil zur Verfügung. Für eine Verbesserung der Situation, auch in fließgewässerfernen Grundwasservorkommen, ist zumindest ein außergewöhnlich niederschlagsreiches Winterhalbjahr 2022/23 von Nöten.

Entwicklung der Grundwasserstände in den tieferen Grundwasserstockwerken:
Die Grundwassermessstellen der tieferen Grundwasserstockwerke weisen bereits seit dem Trockenjahr 2015 mehrheitlich niedrige Grundwasserstände auf. Die Anzahl der als niedrig und sehr niedrig klassifizierten Grundwassermessstellen beträgt derzeit rd. 56%. Besonders von niedrigen Grundwasserständen betroffen sind Messstellen des Jura, des mittelfränkischen Sandsteinkeupers sowie des Tertiärs zwischen Alpenvorland und Donau.

Öffentliche Trinkwasserversorgung:
Insgesamt gesehen war die öffentliche Trinkwasserversorgung in Bayern im Jahr 2022 gewährleistet. Aufgrund der Trockenheit kam es jedoch zu vereinzelten, lokal beschränkten temporären Engpässen in der öffentlichen Trinkwasserversorgung in der Oberpfalz, Oberfranken und Unterfranken. Von einigen Wasserversorgern ergingen dort vorsorglich Aufrufe an die Bevölkerung zum Wassersparen, teilweise in Ober- und Unterfranken verbunden mit Einschränkungen des Wassergebrauchs, z.B. Verbot von Autowäsche, Gartengießen oder Befüllen von Swimmingpools. In einem Fall in Oberfranken mussten zwei Ortsteile einer Gemeinde, da dort die zur Trinkwasserversorgung genutzten Quellen zeitweise versiegten, mittels Tankwagen und Einspeisung des Trinkwassers in den Hochbehälter versorgt werden. Im Versorgungsgebiet eines Wasserversorgers in Unterfranken durfte Trinkwasser nur noch zum Trinken, Kochen und Duschen verwendet werden.
In einigen Bereichen in Niederbayern und im südlichen Schwaben gingen die Wasserdargebote bei einigen kleinen Eigenwasserversorgungsanlagen oder Berghütten, die Flachbrunnen oder Quellen nutzten, zeitweise stark zurück bzw. fielen zum Teil ganz aus.

Gewässerökologie Fließgewässer und Seen:
Mit Blick auf die Gewässerökologie muss das Jahr 2022 als Extremjahr angesehen werden. Prägend waren dabei insbesondere die geringen Niederschläge und die langanhaltenden niedrigen Abflüsse. Diese haben insbesondere in den kleinen Oberläufen zu einem Trockenfallen geführt. Periodisch niedrige Abflüsse und zeitweise sogar trockenfallende Bereiche in den Oberläufen sind ein natürliches Phänomen in unseren Fließgewässern. Zahlreiche dort vorkommende Gewässerorganismen sind in ihrer Lebensweise mit Überdauerungsformen, Lebensphasen außerhalb des Wassers, hoher Mobilität oder auch hohem Wiederbesiedlungspotential an diesen extremen Lebensraum angepasst. Werden Trockenjahre wie 2022 häufiger, müssen wir allerdings davon ausgehen, dass viele dieser Strategien auch an ihre Grenzen kommen und sich die Lebensgemeinschaften nicht vollständig regenerieren können.
Im Jahr 2022 trockneten teilweise auch üblicherweise durchgehend wasserführende Bereiche von Fließgewässern aus. In einigen bayerischen Gewässern fielen dadurch auch Lebensräume seltener Arten wie Flussperlmuschel, Bachmuschel oder Steinkrebs trocken. Auch bei Fischen ist die Situation mitunter prekär. Hier hängt auch eine Wiederbesiedlung von der biologischen Durchgängigkeit ab, die in vielen betroffenen Fließgewässern nicht gegeben ist. Wir müssen davon ausgehen, dass durch diese temporären Lebensraumverluste die vorkommenden Lebensgemeinschaften nicht nur in räumlich und zeitlich begrenztem Umfang beeinträchtigt werden, wie z.B. bei lokalen Fischsterben. Vielmehr können solche langanhaltenden und ausgedehnten Austrocknungen und Extremniedrigwässer möglicherweise dauerhafte Schäden in den Populationen und der Artenzusammensetzung unserer Fließgewässer hervorrufen.

Im Rahmen der Alarmpläne Main und Donau musste trotz der ausgeprägten Niedrigwasserverhältnisse mit zahlreichen Hitzetagen die Warnstufe „Alarm“ nicht ausgerufen werden. Am Main wurde der Alarmplan Ende Juni mit der verwaltungsinternen Stufe „Vorwarnung“ aktiviert. Zwischen Kahl am Main und Würzburg musste im Juli und August für einige Tage auch die Stufe „Warnung“ ausgerufen werden. Dies war auf eine insgesamt ungünstige Entwicklung der Gewässergüteparameter Sauerstoffgehalt, Wassertemperatur und Abfluss zurückzuführen. Erst mit den sinkenden Temperaturen im September konnte für den Main das Meldeverfahren im Alarmplan beendet werden.
An der Donau wurde ab Anfang August auf Grund der steigenden Wassertemperaturen der Alarmplan mit der verwaltungsinternen Stufe „Vorwarnung“ aktiviert. Vom 03. bis 08. August wurde für den Meldebereich 3 von Regensburg bis Passau die Stufe „Warnung“ erreicht. Auch an der Donau konnte ab Anfang September der Alarmplan mit der Stufe „Normalzustand“ wieder deaktiviert werden.
Im Hinblick auf die verschiedenen Gewässerbenutzungen wie Teichwirtschaft, Wasserkraft oder Wasserentnahme zur Bewässerung führten die extrem niedrigen Abflüsse an verschiedener Stelle zu Zielkonflikten mit dem Gewässerschutz. Einzelne Kreisverwaltungsbehörden haben darauf mit Allgemeinverfügungen und Anordnungen zur Einschränkung des Gemein- und Anliegergebrauchs reagiert. Die Wasserwirtschaftsämter haben im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht verstärkte Kontrollen durchgeführt.

Entwicklung in den Seen
Trockenheit und Sonneneinstrahlung wirken sich auf die Gewässerökologie der Seen in verschiedener Weise aus. Die Temperaturentwicklung im Jahresverlauf prägt das Ökosystem der Seen. Der Wechsel von warmen und kalten Jahreszeiten sichert die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers und die Nährstoffversorgung der Pflanzen und Tiere im Freiwasser. Das sommerlich warme Wasser eines Sees muss abkühlen, um den Stoffaustausch zwischen den Wasserschichten zu ermöglichen. Durch zu stark erwärmtes Wasser kann dieser Austausch verhindert werden. Hohe Sonneneinstrahlung und wenig zufließendes kühleres Wasser wie in diesem Jahr, fördern stärkere Erwärmung. Unter anderem entstanden dadurch einige Massenentwicklungen von toxischen Blaualgen, die in zu Badewarnungen und Badeverboten geführt haben. Auch die wärmeliebende Süßwassermeduse konnte sich entwickeln. Eine Beeinträchtigung der Ökologie des Freiwassers durch Sauerstoffmangel kann erst mit Auswertung der Temperatur- und Sauerstoffwerte im weiteren Verlauf sowie mit Hilfe von biologischen Untersuchungen in den kommenden Jahren erkannt werden. Seeufer bieten vielen Pflanzen und Tieren Lebensraum. Fallen sie wie in diesem Jahr trocken, weichen die dort siedelnden und auf Wasser angewiesenen Organismen in größere Tiefen aus oder sterben ab, wie z.B. die Pflanzen, Algen und Muscheln. Röhrichtbestände waren über viele Wochen von der Wasserfläche abgeschnitten und standen als Rückzugsraum, Schutzzone vor Fraßfeinden und Laichhabitat für Fische und Insekten nicht mehr zur Verfügung. Auch Vögel, die im Schilf brüten, konnten nicht von einer schützenden Wasserfläche profitieren. Mögliche langfristige Auswirkungen, wie z.B. das Absterben einzelner Arten oder eine geringere Zahl an diesjährigem Nachwuchs können erst bei zukünftigen Untersuchungen erkannt werden.

Ausblick:
Die derzeitige Trendvorhersage des Deutschen Wetterdienstes prognostiziert bis Anfang Februar zunächst zu feuchte (Kalenderwochen 2 bis 4) und anschließend normale Niederschlagsverhältnisse (Kalenderwoche 5) bei überwiegend zu warmen Temperaturen (Ausnahme: normale Temperaturverhältnisse in Kalenderwoche 3). Diese Einstufungen ergeben sich aus dem Vergleich mit dem Referenzzeitraum 2003 bis 2022. Die Niedrigwasserlage wird sich nicht grundlegend ändern.

Abb.1: Abweichungen vom mittleren Monatsniederschlag (1971-2000) für die Regionen Nord- und Südbayern im Verlauf der letzten 2 Jahre.



Abb.1: Anteil an Grundwassermessstellen und Quellen mit der Klassifizierung niedrig, sehr niedrig bzw. neuer Niedrigstwert im oberen Grundwasserstockwerk im Verlauf der letzten 2 Jahre.


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